Dienstag, 30. Juli 2013

Noch einmal: Erstens kommt es anders....zweitens als man denkt

Auch wenn der "Weg" nun für mich zu Ende ist, so gilt es noch kurz über die letzten Tage zu berichten:

Freitag, 26. Juli 2013

Die Nacht habe ich schlecht geschlafen, die Isomatte ist so weich, dass ich sie fast nicht spüre - dafür aber den harten Boden um so mehr. Nach dem Aufstehen morgens untersuche ich sie und stelle fest, dass sie ein Loch hat und demnach kaum noch als Isomatte fungieren kann. Ein Versuch, sie mit Fahrradflickzeug zu reparieren, scheitert kläglich. Also weg damit in den Müll. Christl ruft mich gegen 9:00 Uhr an und erzählt mir, dass sie schon bei Münster sei. Wenn das so weiter geht, wäre es zu schön, um wahr zu sein. Ich rechne eigentlich damit, dass sie am Sonntag gegen Mittag in Ribadesella ankommen wird.

Es ist bewölkt und nieselt ab und zu ganz leicht. Ich habe nichts zu tun, zum Radeln habe ich keine Lust, also mache ich mich zunächst auf den etwa zwei Kilometer langen Weg zum Strand, wo ich die wunderschöne Bucht bewundern kann und auch ins Wasser gehen könnte, wenn ich wollte - aber ich will nicht! Es ist mir einfach zu kalt! Ich promeniere auf der rund einen Kilometer langen
Ribadesella

Ribadesella

Ribadesella

Ribadesella - Fluss Sella
Promenade ins Ortszentrum, muss dazu auch noch den Fluss Sella auf einer rund 200 m langen Brücke überqueren. In der Ortschaft suche ich einen Laden, in dem ich mir einen Stift und einen Block kaufe - ich muss mir notieren, wie Christl am besten den Campingplatz finden kann. Dann fällt mir ein, dass ich einen Ersatz für die Isomatte brauche und versuche der Verkäuferin klar zu machen, dass ich eine Luftmatratze benötige.  Beim ersten Versuch bringt sie mir eine Luftpumpe. Ich finde unsere sprachliche Annäherung schon mal nicht schlecht! Nach zwei weiteren Anläufen bringt sie mir schließlich das erwartete Stück, das ich für 14 Euro erstehe - die Luftpumpe hätte ich eigentlich auch noch gebraucht, wusste das aber zu diesem Zeitpunkt noch nicht.

Ich besichtige das Örtchen und durchstreife die kleinen Gässchen. Dazu genehmige ich mir noch zwei Kaffee. Um 11:00 Uhr kann man die Kirche besichtigen, deren Inneres aufgrund der pompösen Deckenmalereien auf mich richtig bedrohlich wirkt - so etwas brauche ich wirklich nicht und verlasse fast fluchtartig dieses Gotteshaus.

Dann geht es auf dem selben Weg zurück zum Campingplatz "Los Sauces", wo ich nachmittags eine ausgedehnte Siesta mache. Die ersten "Wochenendspanier" beginnen, den Platz zu bevölkern, und sie machen auch entsprechenden Lärm -  dabei ist ihnen die Siesta doch angeblich heilig (aber wahrscheinlich nur, wenn sie selbst Siesta halten!). Abends nach 20:00 Uhr ist die Küche wieder geöffnet und ich genehmige ich mir das "Menue del Dia" (primero plato: Paella mit Meeresfrüchten, secundo plato: nochmal Lammhaxe mit viel Ajoli, eine Flasche Rotwein, Brot) für 10 Euro.

Das Aufblasen der Luftmatratze  kostet viel Zeit und noch mehr Atem - sie ist wohl dafür vorgesehen, maschinell aufgeblasen zu werden. Christl ruft mich an, erzählt mir, dass sie nach zwei Riesenstaus um Antwerpen und um Paris total fertig sei und nun in einem Hotel übernachtet. Es beruhigt mich zutiefst, dass sie nun doch noch eine Unterkunft gefunden hat.

Samstag, 27. Juli 2013

Morgens nieselt es schon wieder. Das Zelt ist von außen total nass. Christl teilt mir telefonisch mit, dass sie seit halb sechs unterwegs ist und sich durch Verkehr und Unwetter quält. Sie tut mir richtig leid. Ich studiere im Internet mögliche Wege für die Heimfahrt und hoffe, dass Christl es schafft, eventuell noch heute hier anzukommen. Den Tag verbringe ich mit Faulenzen und "Vorschlafen" für die über 2000 Kilometer lange Autofahrt. Heute kommen noch mehr fröhliche Spanier, um hier ihr Wochenende zu verbringen.  Merkwürdigerweise wollen nicht nur Wohnmobilfahrer immer "kuscheln", sondern auch Leute mit Zelt. Links von meinem Zelt haben sich mehrere Spanier in 3 Meter Entfernung breit gemacht, und rechts von mir lässt eine andere Gruppe kaum mehr Platz. Dafür sind dann in die jeweils andere Richtung mehr als 50 m frei.

Nachmittags hat Christl Bordeaux - wieder im Stau - passiert. Vielleicht schafft sie es heute noch. Sie will gegen 19:00 Uhr wieder anrufen. Ich habe Zeit, nachmittags in Ruhe mein Toxy soweit wie möglich zu zerlegen, damit es in unseren kleinen Ford B-Max hineinpasst. Sitz, Lenker, Vorderrad und das Tretlagerrohr werden abgebaut und alle öligen und schmutzigen Teile so gut wie möglich abgedeckt und zugebunden.

Ich kaufe im "Super-Mercado" des Campingplatzes fürs Abendbrot Wurst, Brot und Wasser ein und mache auf dem Boden vor dem Zelt sitzend eine etwas rustikale Brotzeit. Um 20:00 Uhr hat Christl immer noch nicht angerufen - sie ist doch sonst immer so verlässlich. Hoffentlich ist ihr nichts passiert - nach solch einer langen Autofahrt! Ich werde langsam unruhig und gehe zum Tor des Campingplatzes. Um 23:00 Uhr wird hier abgeschlossen. Kurz nach zehn Uhr ruft Christl endlich an: Sie steht in Ribadesella und weiß nicht weiter. Ich erkläre ihr kurz den Weg und warte noch fünf Minuten, dann ist sie endlich da. Wir freuen uns, uns endlich wiederzusehen. Ich erledige an der Rezeption die Formalitäten und bezahle gleich, weil wir morgen schon um 8:00 Uhr losfahren wollen. Auf der Terrasse der Bar trinken wir noch ein Bier und Christl bekommt noch ein bisschen Brotzeit. Da wir um diese Zeit kaum noch ein Hotelzimmer bekommen werden, darf Christl im Zelt schlafen, das wegen der unhandlichen Luftmatratze nur für eine Person geeignet ist. Ich mache mich im Auto breit und habe als Decke lediglich meinen Jugendherbergsschlafsack.

Sonntag, 28. Juli 2013

Ich habe in der Nacht nur gefroren, und mir kommt es vor, als wenn ich kein Auge zugemacht hätte. Christl geht es genau so. Wir packen möglichst leise alles zusammen, verstauen das Toxy auf der Ladefläche (es passt genau hinein) und müssen um 7:30 Uhr feststellen, dass der Campingplatz noch abgeschlossen ist. Also warten wir bis 8:00 Uhr und können dann endlich losfahren. Ziemlich bald machen wir an einer Tankstelle Halt, wo das Auto und wir Nahrung zu uns nehmen. Der Ford wird mit Benzin abgefüllt,  wir bekommen als ersten Gang Kaffee con Leché und Croissant. Als ich um Marmelade bitte, gibt es diese umsonst dazu. Als wir fertig sind, kommen leckere Pintchos - die wollen wir auch gerne haben und ordern noch einmal Kaffee.

Bei schönem Wetter sind wir begeistert von der herrlichen, saftig grünen Berglandschaft Nordspaniens, die bis ans Meer hin reicht. Ich erkenne viele Stellen wieder, wo ich mit dem Fahrrad gefahren bin. Ich bewundere mich ein bisschen selbst und bin stolz auf mich, dass ich das alles geschafft habe. Bald haben wir Spanien verlassen und brausen durch das nun relativ flache Frankreich - was für eine Gegend fürs Radfahren! Die Autobahn ist ganz ordentlich. Es nervt nur, dass man immer mal wieder, um 1,80 Euro Maut zu zahlen, angehalten wird und wartend in der Schlange stehen muss. Und wenn dann noch der Automat bzw. die Schranke kaputt sind, dann dauert es erst recht!

Nördlich von Orléans und südlich von Paris biegen wir auf die kaum befahrene Autobahn A19 gen Osten ab und folgen dieser (es ist 20:00 Uhr)  bis zum Städtchen Montargis, in der Hoffnung, dort ein Hotel zu finden. Wir machen uns schon auf eine längere Suche gefasst und sind überrascht, direkt an der Autobahnausfahrt ein "Best-Western-Hotel" zu sehen. Wir fahren dort hin und beschließen, egal was es kostet, dort ein Zimmer zu nehmen. Wir bekommen ein Doppelzimmer zum "Sonntags-Vorzugspreis" von 90 Euro (ohne Frühstück). Uns wird aber versichert, dass das Frühstück sehr vielseitig und komfortabel ist, so dass wir auch dieses buchen. Wir gehen zum Abendessen auf die Terrasse und trinken dazu das vom Kellner angepriesene Bier der Region. Nach dem ersten Gang flüchten wir wegen der schwarzen Gewitterfront ins Restaurant. Es hat wirklich gut geschmeckt. Übrigens: Am nächsten Morgen stellen wir auf der Gesamt-Rechnung fest, dass das Bier 6,50 Euro pro Flasche gekostet hat. Für ein Bier der Region ist das schon ganz schön dreist - tröstlich: es hat immerhin geschmeckt!

Montag, 29. Juli 2013

Frühstück gibt es bereits ab 6:30 Uhr. Es ist reichhaltig und sehr fantasievoll - gar nicht französisch. Wir werden satt und starten zufrieden unsere weitere Heimfahrt. Wir fahren nun Richtung Metz und dann weiter bis Saarbrücken. Prima, dass das leidige "Maut zahlen" ein Ende hat - dafür sind die Autobahnen in Deutschland dreimal so voll wie in Frankreich. Um etwa 13:00 Uhr starten wir in Saarbrücken, nachdem wir dort an der Autobahnraststätte etwas gegessen haben.

Ohne Stau kommen wir schließlich um 20:00 Uhr in Kiel an. Zum Abschluss der Rettungsaktion fahren wir noch zu unserem Italiener, wo Christl einen Salat und ich eine Pizza essen. Dann geht es endgültig nach Hause.

Wir sind froh, gesund wieder daheim angekommen zu sein, und ich bin dankbar, dass meine Frau das alles auf sich genommen hat, um mich abzuholen!


Unter anderem habe ich folgenden Kommentar zu meinem Blog erhalten:

"Wir bereuen immer nur die Dinge, die wir nicht getan haben!" - oder zumindest versucht. Ich bewundere Dich sehr für den Schwung mit dem Du losgezogen bist. Und ich finde es toll, überhaupt den Weg zu wagen. Und letztlich zählt einfach jeder Tag, den Du auf dem Camino verbracht hast. Angekommen bist Du auch - vielleicht sogar ein Stück weiter bei Dir.

Vielen Dank Wiebke, dieser Kommentar spiegelt genau das wieder, was ich empfinde!

Statistik:

Hier ein Überblick der von mir gefahrenen Strecke (insgesamt rund 310 km):

gefahrene Strecke (rot) / Karte: Google Maps

mitgeplottete Profile (etwas ungenau)
insgesamt etwa 5.500 m auf und 5.500 m abwärts



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